Die Welt ist viel zu bunt, um schwarz zu sehen !!!

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3.Oktober 1990

3. Oktober 1990
Ich war dabei !!!

 

9. November 1989 !

 Ein Datum, an dem Geschichte geschrieben wurde. - Und wohl jeder weiß noch, was er an diesem denkwürdigen Tag gemacht hat.

 Zumindest zu dem Zeitpunkt, als die Nachricht kam:
Die Grenze ist offen !!!

 Da dieses Datum in unsere arbeitsintensivste Zeit fiel, bekam ich sehr spät was von den Ereignissen mit. Irgendwann abends, - erst zwischen 23 und 24 Uhr Feierabend gemacht, - setzte ich mich noch für eine Gute- Nacht- Zigarette vor den Fernseher und sah plötzlich diese Bilder, die später um die ganze Welt gingen und wieder und wieder gezeigt wurden. Menschen, die sich weinend in die Arme fielen, - die auf der Mauer tanzten und mit kleinen Hammern Stücke aus dem ungeliebten Bauwerk heraushauten.
Trabis, die jubelnd begrüßt wurden und immer wieder Gesichter, die voller Erstaunen nicht fassen konnten, was da geschah.

  Ich saß alleine im Sessel und fand es einfach nur toll, was ich da sah. Teilweise liefen mir ebenso die Tränen herunter und ich wäre so gerne in den nächsten Zug gesprungen, oder hätte mich in mein Auto gesetzt, um dabei zu sein. -  Doch Berlin ist weit !  Zu weit !

 

 Fast ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, sollte die Deutsche Einheit besiegelt werden. Lange vorher überlegte ich schon, ob ich nicht wenigstens diesen wichtigen Tag in Berlin verbringen könnte, aber ich fand niemanden, der bereit war, für zwei Tage mit mir zusammen diese Strecke und diese Strapazen auf sich zu nehmen.

 Am 1. Oktober hat meine Freundin Eri Geburtstag. Als alle anderen Gäste schon weg waren, und nur noch wir beide zusammensaßen, erzählte ich, von meinem Wunsch, den ich mir wohl jetzt doch mangels Reisebegleitung nicht erfüllen würde.

 "Mich hast Du aber gar nicht gefragt ! Ich würde auch gerne dorthin fahren." - Stimmt. An Eri hatte ich gar nicht gedacht. Dass sie da mitkommen würde, war mir nicht in den Sinn gekommen.
Zu spät !

 Zu spät ???????   Das kann es doch nicht geben !

 Ganz schnell war die Idee geboren und die Planung in vollem Gange. Wir fahren nach Berlin !

 Ich rief eine Bekannte in Steglitz an, ob wir wohl ein paar Stunden der Nacht bei ihr schlafen könnten, - kein Problem !

 Und schon am nächsten Tag ging es los. Eri musste noch bis 16 Uhr arbeiten, während ich den Wagen vorbereitete. Das Übliche: Tanken und Ölkontrolle , sowieso, - aber äußerst wichtig waren auch die schwarz- rot- goldenen Fahnen an der Reling, die von Bochum bis Berlin im Fahrtwind flatterten.

 Die Strecke zog sich endlos... Stau bei Hannover.... schlechte Straßen auf dem früheren DDR- Gebiet.... , aber wir hielten uns tapfer und freuten uns auf die kommenden Ereignisse.

 Um 22 Uhr flogen wir in Berlin ein. Zuerst zu meiner Bekannten, um den Wagen dort zu deponieren und sofort ging es weiter mit Bus und Bahn Richtung Brandenburger Tor.

 Wo kamen all diese Menschen her ? Der Bus war vollgestopft mit fröhlichen, gutgelaunten Leuten, die nichts als feiern wollten. Wunderkerzen wurden uns in die Hand gedrückt. An allen Ecken wurde gesungen und gelacht.

 Raus aus der Bahn und weiter zum Tor....  Überall Buden aufgebaut.... es gab zu essen und zu trinken genug ..... Musik .... irgendwo in der Nähe spielte Chris de Burgh .... überall lärmende Fröhlichkeit ..... während wir ein Glas Sekt tranken, erzählte uns ein glückstrunkener Mann, dass er extra aus Düsseldorf angereist sei: "Ich hätte nie gedacht, dass dieser Traum einmal Wirklichkeit wird. Wie schön....wie schön.... " und selig zog er weiter.

 Als die Glocken den neuen Tag und damit das vereinte Deutschland begrüßten, waren wir ca. 100 Meter vom Brandenburger Tor entfernt. Mitten in einer Menschenmasse, die dieses Ereignis euphorisch feierte. Mitten drin, und ganz nah dabei!
Da, wo Geschichte geschrieben wurde !

 Die Politiker waren zu dem Zeitpunkt am Reichstag, die Fahne hissend und sich vom Volke bejubeln lassend.

 Wir zogen weiter Richtung Alexanderplatz und wieder zurück, - wir sahen die Gold- Else, die sich aus unendlicher Höhe das ganze Spektakel gelassen anschaute, - und erst spät, bzw. in den frühen Morgenstunden spazierten wir über den riesigen inzwischen ziemlich leeren Platz vor dem Reichstag und genossen den Anblick dieses imposanten erleuchteten Gebäudes.

 Ich habe ja schon immer ein Faible für angestrahlte Monumentalgebäude bei Nacht, so dass es mir in dieser Stimmung diverse Schauer über den Rücken jagte.

 Irgendwann sind wir dann für ein paar Stunden ins Bett gegangen. Doch am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein liefen wir wieder `Unter den Linden` herum und inspizierten den östlichen Teil des Viertels.
Verkaufsstände .... Musikdarbietungen ... "Heinz, die Geige" spielte phantastische Weisen .... überall was los .... und die Menschen mit strahlenden Sonntagsgesichtern schlenderten durch die Straßen. Ein wunderbarer Tag !

 Nachmittags machten wir uns auf den langen Heimweg. Zwei nette, junge Burschen aus Bochum, die wir am Stadtrand auflasen, freuten sich über die Mitfahrgelegenheit genauso wie wir uns über die kurzweilige Unterhaltungsmöglichkeit.

 Schon nach wenigen Kilometern machte sich Müdigkeit bei allen Autoinsassen breit. Und ich verkündete, dass ich nun unbedingt, - damit ich sie alle sicher nach Hause bringen könnte, MEINE Power- Musik einlegen müsste. Zu der Zeit war das eine Kassette von Grönemeyer. - Die Jungs hinter mir erwachten bei den ersten Takten sofort aus ihrer Lethargie und für Stunden hielt uns das gemeinsame Mitsingen von   "Bochum, ich komm aus Dir !" und "Schmetterlingen im Bauch" nicht nur wach, sondern in allerbester Stimmung.
 

 Doch heute frage ich mich manchmal: wie kann es möglich sein, dass schon nach kurzer Zeit so viele Menschen in Deutschland am liebsten wieder die Mauer hochziehen würden ?

 Wo ist heute die Euphorie dieses 9. Novembers und des 3. Oktobers geblieben ?