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Feuer

Eine ungewöhnliche Nacht

 

Um 22 Uhr saß ich noch geschichtenschreibend am Computer, um 23 Uhr habe ich noch einen traurig - schönen Film gesehen, doch eine Stunde später war alles ganz anders ...

Zuerst fiel mir ein Geruch auf, als ich im Bad war, ich überlegte noch, ob es Rauch wäre, aber ich erkannte es nicht, - dachte an verschüttete Medizin oder sowas ... (Haben die Kinder mal wieder irgendeinen Blödsinn gemacht!)

Doch der Film war noch nicht zu Ende und ich beeilte mich, wieder ins Wohnzimmer zu kommen.

Nach einer viertel Stunde, als sich die Hauptdarsteller zur Abspann- Musik schluchzend in die Arme sanken, schaltete ich aus und bemerkte, daß dieser seltsame Geruch inzwischen bis ins Wohnzimmer drang. Ganz zart und schleichend noch. Im Bad roch es inzwischen viel stärker, doch noch immer war mir  nicht klar, was es war. Ich merkte, daß es durch das Fenster hereinzog.

Das Fenster geht zur Passage raus, zu diesem Vorraum, der zur Straße offen ist und von dem auch die Türen zum Laden und zur Wohnung abgehen.

Als ich die Haustür öffnete, um rauszusehen, stand ich vor einer weißen, stinkenden Wolke aus Qualm.

Im Schlafzimmer lag schon seit einer Stunde mein Herzensgatte im tiefsten Schlummer. Die Tragweite dessen, was sich da draußen abspielte, war mir absolut noch nicht bewußt, so daß ich ihn noch ziemlich vorsichtig weckte: "Schatz, ich glaube, Du müßtest noch mal aufstehen, irgendwas stimmt da draußen nicht, ich glaube, es könnte da irgendwo im Laden brennen. Komm doch besser mal."

Das zu hören und in die Klamotten springen war für ihn eins. Er rannte in die Passage, öffnete die Ladentür, und stand in Qualm und Hitze. "Hier komme ich nicht rein! ... Man sieht nichts! ..."
Er kam zurück und wollte durch die andere Verbindungstür gehen, um durch die Binderei in den Laden zu kommen.

Ich konnte wohl noch immer nicht begreifen, wie ernst die Lage ist und fragte ihn (völlig idiotisch):
" Soll ich die Feuerwehr rufen?"
So langsam wurde mir klar, es reicht nicht aus, daß wir beide das mal eben so regeln.

Eins- eins- zwei, - die Nummer hat glücklicherweise wohl jeder im Kopf.
 Aufsteigende Panik im Hals, bemühte ich mich, dem netten Mann am Telefon kurz und ausreichend zu erklären, was Sache war. Sehr viel wußte ich ja selber noch nicht.

Indem war Gerd aufgefallen, daß Farina nicht sofort angeschossen kam, als wir die Tür geöffnet hatten, und ich hörte die Angst in seiner Stimme, als er sie wieder und wieder rief.
Farina ist unser kleiner Pudelmischling, ein süßer schwarz- weißer Fratz, geliebt von der ganzen Familie, tagsüber läuft sie überall rum, macht auch alleine lange Spaziergänge in den umliegenden Straßen, doch nachts schläft sie im Büro, das direkt neben dem Laden liegt.

 

Ich hatte nun endgültig begriffen, daß hier eine mittlere Katastrophe abläuft, und raste los, um alle im Haus zu wecken. Zuerst Mutter, die nebenan in der Wohnung weit weg lag vom vermuteten Brandherd, und dann die Treppen rauf zu Petra und Wolfgang, zu Gabi, - Anke war nicht zu Hause, - noch ein Stockwerk höher zu Eri, die selber gerade den Qualm bemerkt hatte, der auf seltsamen Wegen in ihr Wohnzimmer zog, zu Sema und dann noch Frau Walter, die gerade jetzt ihre über achtzigjährige Mutter zu Besuch hatte.
"Bei uns im Laden brennt´s! Noch ist es nicht auf´s Haus übergegangen, aber ihr müsst alle Bescheid wissen. - Bis jetzt ist es aber nur im Ladenbereich!"

Ich glaube, die Panik, die sich in mir breitmachte, konnte ich nur schlecht verbergen. In meinem Kopf war immer nur der Gedanke: Wo ist Farina? Sie darf doch nicht tot sein.

Wir holten die Kinder aus den Betten, in dieser Nacht schlief mal wieder unsere Nichte Sonja bei Gillian im Zimmer.
Beide, aus tiefem Schlaf gerissen, waren ganz verstört.

Ich rannte auf die Straße und hoffte nur, daß doch endlich, endlich die Feuerwehr käme, aber mir wurde immer klarer, daß Farina nicht zu retten sein könnte. In dieser Rauchhölle musste sie längst erstickt sein. Auch Gerd war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch sich in die Räume zu stürzen, um seinen geliebten Hund da raus zu holen und der Gewissheit, daß er aber auch nichts mehr für sie tun könnte. Schon an der Ladentür war inzwischen eine solche Hitze, daß man keine zwei Schritte reingehen konnte.

Langsam kamen alle aus dem Haus, Gilllian hatte in der Eile ihre Hose gar nicht angezogen und trug sie in der Hand, alle anderen hatten sich wenigstens die Zeit genommen, um sich warm anzukleiden, nur ich lief noch immer im Bademantel mit nackten Füßen und Sandalen herum.
Alle waren erschüttert, als sie nach und nach mitbekamen, daß Farina wohl da drin wäre.

In der Ferne die Sirenen der Feuerwehr. Endlich!

Vier große Wagen rollten an, und ein gut eingeübtes Programm spulte sich vor unseren Augen ab.

Die ersten Männer stürzten in den Laden und begannen mit den Löscharbeiten, andere rauschten durch die gesamte Wohnung und die Kellerräume, um alle Fenster und Lichtschächte zu öffnen.
Eine große Windmaschine wurde vor der Passage aufgestellt, die mit ohrenbetäubendem Lärm Luft durch die Räume fegte.

Ein gespenstisches Bild: Die Männer in den Schutzanzügen in den hellerleuchteten Zimmern, Fensterbänke leerräumend und alles aufreißend. Wir alle in der Kälte auf dem Bürgersteig, dazu der Lärm dieser Windmaschine, die großen Feuerwehrwagen mitten auf der Straße, das Blaulicht, blinkend durch die dunkle Nacht und über allem leuchtete ein Sternenhimmel, als wäre nichts geschehn.

 

Irgendjemand hatte mir einen Mantel geholt und umgehängt.
Den Kindern stand die Angst um Farina genauso im Gesicht wie Gerd. Er hatte den Feuerwehrleuten längst Bescheid gesagt, daß sie nach dem Hund sehen sollten, aber noch immer kein Zeichen von der Kleinen.

Ich rief bei meiner Schwester Elke an, damit sie Sonja abholen käme. Ich wusste einfach nicht, wie ich Gillian, Gerd und noch zusätzlich meiner Nichte beistehen sollte, wenn erst mal die endgültige Nachricht über Farina da wäre.

Ein Feuerwehrmann kam zu Gerd :"Dahinten im Gewächshaus läuft ein kleiner Hund rum. Aber der ist ganz verstört, der lässt sich nicht einfangen."
Ich weiß nicht, mit welchen Worten ich die Erleichterung beschreiben soll, die wir empfanden. Die Kinder johlten und schrien, mir liefen die Tränen nur so runter und alle nahmen sich in die Arme, ... und alles wegen diesem völlig verrückten kleinen Hund.

 

Es stellte sich heraus, daß das Feuer im Kassenbereich ausgebrochen war, wahrscheinlich ein Kabelbrand direkt in der Kasse.

Nach einer Weile brachten zwei Feuerwehrleute den ganzen Tisch mit den Resten der Kasse nach draußen. Es war nur noch ein Eisengestell, die Eternitplatte darauf war kurz vorher mit lautem Knall auseinandergebrochen, die  Kasse selber zusammengeschmolzen und fast nicht mehr als solche zu erkennen.

 

Meine Mutter holte eine Flasche Ouzo mit Gläsern für alle heraus. Ich habe noch nie im Leben einen Schnaps getrunken, aber jetzt in diesem Moment wärmte er mir Magen, Seele und scheinbar die Füße.

Endlich tauchte Farina persönlich auf. Sie war durch die inzwischen geöffneten Türen im Gewächshaus hinten raus gelaufen und kam neben dem Laden zur Straße gerannt. Doch an dem Lärm der Windmaschine traute sie sich nicht vorbei, um zu uns zu kommen. Gillian rannte ihr entgegen und schloss sie in die Arme. Doch ich glaube, richtig glücklich war Farina erst, als sie endich bei Gerd auf dem Arm war und ihm vor Freude Gesicht, Hals und Ohren ableckte.

Einer der Feuerwehrleute kam zu uns: "Sie können jetzt mal mit reingehen und sich das anschauen. Sie haben übrigens noch viel Glück gehabt. Eine viertel Stunde später wäre alles viel schlimmer, - wäre der ganze Laden abgebrannt."

Gerd und ich folgten ihm und im Schein der Taschenlampen betrachteten wir die offensichtlichen Schäden. Die Decke über dem Kassenbereich war völlig zerstört, die Lampen baumelten halb abgerissen herunter. Überall traten wir auf Scherben, weil Glas zu Bruch gegangen war. Der gesamte Stromkreislauf war zerstört. Nicht ein Lämpchen der Weihnachtsbeleuchtung brannte noch.

Und trotzdem war in uns das Gefühl von Dankbarkeit,
daß keinem von uns in diesem Chaos etwas passiert war.

 

Kurz darauf zog der ganze Löschzug ab und mit allen aus dem Haus gingen wir nochmal in die dunklen Räume. Mit ein paar kleinen Taschenlampen leuchteten wir in alle Ecken und versuchten uns einen Überblick zu verschaffen. Es sah einfach schlimm aus.

Doch das ganze Ausmaß der Zerstörung erkannten wir erst am nächsten Tag bei Licht.

Alles, einfach alles, war mit einem schwarzen, fettigen Schmier überzogen. Im Laden, die Schnittblumen, genauso wie hinten die Topfpflanzen waren in der Hitze völlig verdörrt. Die Regale - schwarz, ... der Fußboden - schwarz, ... die Keramik, die Seidenblumen, im Büro die Wände der Schreibtisch, das Fax-Gerät, der Anrufbeantworter, der Schrank und der Drehstuhl - alles, alles schwarz.

Der Weihnachtsbaum, der neben der Kasse gestanden hatte, - nur noch ein Skelett aus Zweigen.

Düngemittel- Tüten durch die Hitze zusammengeschmort.

Die Musikanlage - völlig deformiert.

 

In der Nacht war ich kaum noch zum Schlafen gekommen. Zu beängstigend die Bilder, die mich verfolgten, sobald ich die Augen schloss. Ich setzte mich vor den Fernseher und fand vor der laufenden Flimmerkiste ein bis zwei Stunden Schlaf.

Selbst Farina fand keine Ruhe und wollte ständig auf den Arm. Was sonst streng verboten ist, in dieser Nacht durfte sie neben mir im Sessel liegen und sich von der durchlittenen Angst erholen.

 

Und nun sitze ich wieder geschichtenschreibend am Computer und lausche gleichzeitig nach draußen, ob ich wohl ein Knistern höre oder mir ein ungewohnter Duft in die Nase steigt.