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Guildo Horn

Guildo Horn in Börminghäm

 

Schon lange hatte ich mich nicht mehr für die Deutsche Schlagerbranche interessiert. Dieses ewig gleiche Herz- Schmerz- Trallala mit den nicht zu unterscheidenden Melodien hatte mich zuletzt in den 70er Jahren begeistern können.
Damals, als Teenie, im ständigen Gefühls- Chaos, hockte ich natürlich auch jeden Samstag abend vor der Flimmerkiste und wartete auf den immer gleichen Text:
"Guten Abend, meine Damen und Herren! Es ist neunzehn Uhr dreißig. Hier ist die Deutsche Hitparade aus Berlin!"
Dieter Thomas Heck, Rex Gildo, Christian Anders, Chris Roberts, Roy Black, Lena Valaitis, Mary Roos, Peter Rubin... und ... und ... und ...
So viele Namen und Gesichter und Lieder...
Jeden Text konnte ich mitsingen und die Lebens und Liebesgeschichten der Stars kannte ich aus der letzten BRAVO.

Aber das hatte mich nun viele Jahre lang nicht mehr so sonderlich interessiert. Wenn ich mir auch mein gewisses Gefühls- Chaos über die Zeit gerettet hatte, so war meine bevorzugte Musikrichtung doch nach diversen Schwankungen eine andere geworden.

Und nun hörte ich plötzlich von einem Typen, der die Vorentscheidung zum Grand Prix Eurovision de la Chanson gewonnen hatte, und dessen ganze Erscheinung für Aufruhr sorgte. Guildo Horn war plötzlich da.
Von der ganzen Promotion, die ihn schon wochenlang vorher hochgeputscht hatte, allen voran der Radiosender Eins live, der ihn ständig spielte, hatte ich wenig mitbekommen, da ich in letzter Zeit selten Radio gehört hatte.
Dieser Guildo stand nun da und sang voller Inbrunst Deutsche Schlager aus den 70er Jahren. - Wahrlich kein Mann, der dem allgemeinen Schönheitsidol entsprach, -  mit Halbglatze, der spärliche Haarkranz lang bis über die Schultern und besonders schlank ist er ja nun auch nicht.

Der Text seines Siegerliedes ist nicht unbedingt Anwärter auf den Literatur- Nobelpreis, und man mußte schon öfter hinhören, bis die Melodie ins Ohr ging. Nur ein Satz prägte sich in Windeseile in ganz Deutschland ein:
"Piep, piep, piep, ich hab Dich lieb!"
Herrlich verrückt! Das machte ihn mir doch gleich sehr sympathisch.
Er war ein Extrem, auf das man auch nur so reagieren konnte.
Entweder ihn hassen oder ihn lieben. Ich habe fast niemanden gefunden dem er einfach nur gleichgültig war.

Nach der Vorentscheidung verging fast kein Tag, an dem man nicht irgend etwas von ihm in der Zeitung las, im Fernsehen sah oder im Radio hörte. (Meistens alles drei !)
Langsam kam in mir die Vorfreude auf den Grand Prix auf. Ob er es wohl schaffen würde auf die vorderen Plätze zu kommen?

Seit Jahren hatte mich auch diese Veranstaltung nicht mehr interessiert. Keine Ahnung, wer in den letzten Jahren für Deutschland angetreten ist. Ich hatte nur immer am Rande mitbekommen, daß Ralf Siegel ständig als Komponist dabei war. Aber den hatte Stefan Raab ja nun unter dem Pseudonym Alf Igel ordentlich geärgert.
Vor vielen Jahren hatte auch ich immer mit Spannung dieses langwierige Auszählungsverfahren verfolgt und mich über die nicht gegebenen Punkte von Österreich geärgert. Doch das war mir schon so lange völlig egal.

Aber dieses Jahr ist eben alles etwas anders. Und ich hielt Ausschau nach netten Leuten, mit denen ich mir das Spektakel gemeinsam ansehen konnte.
Recht kurzfristig, erst knapp zwei Wochen vorher, hatte sich der richtige Trupp gefunden und von da an liefen die Vorbereitungen für den großen Guildo -Horn- Eurovisions- Samstag auf Hochtouren.

Zuerst mußte mal die CD her, so dass wir stundenlang im Laden seine Songs hören konnten. Nach kürzester Zeit konnten wir die Texte wieder auswendig: "Wunder gibt es immer wieder", "Tränen lügen nicht", und auch die neuen: "Danke" und natürlich "Guildo hat Euch lieb". Meine zuerst etwas skeptischen Mitstreiterinnen im Laden waren auch bald überzeugt und baten um eine Kopie der CD.

Ich fertigte auf dem Computer Abschriften des Piep- Lied- Textes, sowie von "dem- Guildo- seine- Mama- ihre- Nußecken- Rezept". (Dem Kohlenpottler sein liebstes Kind ist der Dativ!)
Als ich dann noch in einer Fernseh- Zeitung eine Aufstellung aller teilnehmenden Lieder fand, stellte ich auch noch eine Liste her, mit den Möglichkeiten zur eigenen Bewertung.
Jeder, mit dem ich im Laden über dieses Thema sprach, und der auf der Guildo- Sympathie-Seite stand, bekam Kopien davon.

 

Am Abend vor dem Spektakel war mir noch die geniale Idee gekommen, was ich denn an dem Morgen anziehen könnte. Weißes T-Shirt rausgeholt, ein schwarzer und ein roter Filzstift und los ging´s.
Piepende Küken konnte ich nicht so gut malen, aber in großen Buchstaben:
"Piep, piep, piep, ich hab Euch alle lieb!"
Vorne und hinten, so daß jeder gleich sehen konnte, wen ich am Abend anfeuern würde.

Dann endlich Samstag, der 9. Mai.
Direkt am Laden- Eingang ein großes Poster von Guildo. Seine Musik untermalte das ganze Geschehen.
Im Geschäft und auch davor hingen kleine Plakate: "Heute gibt´s bei uns Guildo Horns Nußecken!" Elke und ich hatten je drei Bleche davon gebacken. Wir hatten einen Mords- Spaß an den Reaktionen der Kunden. Manche waren ganz begeistert und erzählten von eigenen Guildo- Feten, die am Abend steigen würden, manche wollten auf jeden Fall heute abend Daumen drücken für den "Meister".
Andere wiederum bekamen sofort einen dicken Hals, als sie von Guildo hörten.
"Wie kann ein solcher Typ Deutschland vertreten? Was soll die Welt nur von uns denken? Der ist doch völlig unmöglich! Wenn Guildo sich in England zeigt, meinen die dort, jetzt ist auch in Deutschland der Rinderwahn ausgebrochen!"
Aber Nußecken gegessen haben sie alle!

Wir swingten nur so durch den Vormittag und freuten uns auf den Abend.

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Für die Guildo- Horn- Eurovisions- Piep- Fete hatten wir uns vorgenommen, möglichst in Kleidung der 70er Jahre zu erscheinen.
Erst am Abend kam ich dazu, mir darüber Gedanken zu machen, was ich denn anziehen sollte. Ein Blick in den Kleiderschrank zeigte mir, daß die Auswahl da nicht so groß war.
Ins Auge fiel mir mein Kleid, das ich 1978 auf meinem Polterabend getragen hatte. Schwarzgrundiger Stoff mit vielen bunten Blümchen, bodenlang, unten und an den Ärmeln mit breiter Rüsche, am Hals mit einer knallroten Kordel zu einem weiten Ausschnitt gezogen.
Das wäre genial für diesen Anlass!

Damals hatte ich das Kleid mit einem Gürtel leicht angeschoppt. - Nun,-  den konnte ich weglassen, - zu schoppen war da ja nun nichts mehr. Man könnte sagen: Erst heute fülle ich das Kleid richtig aus!
Für meinen Herzensgatten hatten wir eine übergroße Sonnenbrille gefunden, - ganz im Stil des Meisters.

Kurz vor neun trudelten die anderen ein, brachten Nußecken mit und wir setzten uns erwartungsvoll an den langen Tisch - am Kopfende der Fernseher, direkt unter einem großen Poster vom Star des Abends.
"Piep, piep, piep, wir haben Guildo lieb !"

Völlig objektiv versuchten wir die ersten Beiträge zu beurteilen. "Wenn die die Haare anders hätte, dann könnte die auch wie ein Mensch aussehen ! Dieses Kleid ! Habt Ihr diesen unmöglichen Schnitt gesehen? Das ist ja unsauber verarbeitet!  Und überhaupt dieser Schönling da jetzt, der grinst ja wie ein Honigkuchenpferd!"
Nur Mike schüttelte bei jedem Auftritt zweifelnd und bedenklich sein weises Haupt: "Oh, ... ob unser Guildo dagegen eine Chance hat? ...Da wird er es sehr schwer haben...." , was bei allen anderen Stürme der Empörung auslöste.

Und endlich kam ER !!! Dieser verrückte, wilde Kerl raste über die Bühne, stürzte sich in das feine, hochadelige Publikum, küsste einem sichtlich erschütterten Gast die Glatze und schwang sich halsbrecherisch an einem Gerüst in die Höhe.
Es hielt uns nicht mehr auf den Sitzen.
Alle sangen mit und schwenkten die selbstgemachten Mini- Fähnchen, auf denen ein kleines Küken verkündete:                Piep, piep, piep,... ich hab Dich lieb !.
Wer nicht ganz textsicher war, hatte das Manuskript in der Hand.

Stefan Raab, alias Alf Igel dirigierte das Orchester mit einem chinesischen  Eß- Stäbchen und hatte, genau wie wir, einen Mords- Spaß dabei.
Bei den nächsten Liedern schwelgten wir in Himbeereis und fieberten der Auszählung entgegen.
Die Punkte- Verteilung wurde mit Spannung verfolgt und jeder Punkt für Deutschland mit Beifallsstürmen gefeiert. Leider waren das nicht so viele, wie wir erhofft hatten.
Jedem Land, das uns keine Punkte gab, wurden schlimmste Strafen angedroht, wie z.B. , dass wir nie, aber auch wirklich nie, nie wieder dort Urlaub machen würden.
Im Endeffekt reichte es dann für den Meister immerhin für einen respektierlichen 7.Platz. So weit nach vorne war in den letzten Jahren kein anderer deutscher Beitrag gekommen.

Siegerin wurde eine Sängerin aus Israel, die vor Jahren ein Mann gewesen war - heute eine bildschöne Frau, deren Auftritt bei diesem Grand Prix in ihrem Heimatland für viel Wirbel und Aufstand gesorgt hat.
Fast wäre Malta auf den Zweiten Platz gekommen, eine Frau mit einer phantastischen Stimme und einem wunderschönen Lied. Allerdings entsprach sie keinesfalls den Schönheitsnormen der westlichen Welt:
Sie hatte einige Kilos mehr, als nach DIN-A-Schlankheitswahn erlaubt sind!

Genial wäre doch wahrlich nun diese Konstellation gewesen:
1. Platz - Israel - eine Trans- Sexuelle,
2. Platz - Malta - eine Dicke,
3. Platz - Deutschland - ein Ausgeflippter, der den ganzen Eurovisions- Rummel nicht ernst nimmt, und sich völlig antizyklisch verhält.

Das wäre es doch überhaupt gewesen !
Ein Triumph der Toleranz über die zuckerweiche Spießigkeit der Schlager- Idylle !