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Krank sein...

Vom Kranksein
und seinen
TV- technischen Folgen

 

Bislang war ich es gewohnt, dass Kranksein erst dann anfängt, wenn ich mit 40,9 Grad Fieber röchelnd und krächzend in den Federn liege, und nicht mehr weiß, wie ich die Knochen geordnet bekomme, um in die Kleidung zu steigen.
Erst dann konnte ich wagen, bei mir in der Firma zu verkünden, dass ich vielleicht mal doch besser ein paar Stunden im Bett bleiben würde, um mich gründlich auszukurieren.
Meistens dauerte es dann doch zumindest drei Tage, bis ich wieder grade stehen konnte, und dann auch schon bald wieder im Laden stand,
---- wahnsinnig wichtig und unersetzlich........

Nun quälte ich mich schon über eine Woche mit Halsschmerzen, Husten, Schnupfen und diversen Unpässlichkeiten. Fühlte mich einfach innerlich krank und fuhr aber trotzdem brav und arbeitswillig nach Duisburg und hockte mehr so neben mir im Büro und versuchte zwischen den bölkenden Hustenanfällen den gedanklichen Faden nicht zu verlieren, wenn ich die Unterschiede zwischen monokotyledonen und dikotyledonen Pflanzen erklärte.

Bis mir ein Kollege dann sehr ernsthaft erklärte, dass ich doch wohl besser zu Hause bleiben sollte, bevor ich hier alle anstecken würde mit meinen herumschwirrenden Bazillen. 
Uuups !!!  Das ist ja eine ganz neue Einstellung, - bisher kannte ich mehr so das Motto: Nun stell Dich mal nicht so an, - reiss Dich ein bißchen zusammen, - so ein Schnupfen kann ja nicht so schlimm sein !
Aber ich ließ mich dann bald überreden und ging am nächsten Tag zur Ärztin.

Eine Woche sollte ich nun zu Hause bleiben. Einfach so... , wo ich doch noch nicht mal hohes Fieber hatte, nur gelegentlich diese unangenehmen Hitzewallungen, die hoffentlich nur von diesem grippalen Infekt herrührten und doch bitte nichts mit meinem Alter zu tun hatten.
Ich versorgte mich mit diversen Mittelchen in der Apotheke und verzog mich mit der Kuscheldecke in meinen Lieblings- Sessel.

Ab da gewann ich in kürzester Zeit eine ganze Menge neuer Freunde. Nicole und Sabrina, Andreas und Jörg, Bärbel und Sonja, - alle kamen in mein Wohnzimmer und servierten mir die Probleme von wildfremden Leuten, die sich vor meinen Augen um den Hals fielen, Heiratsanträge machten oder stritten und anschrien.

Ich zappte mich von einer Talkshow in die nächste, was also wirklich von morgens 10 Uhr dreißig bis nachmittags um 17 Uhr, lediglich mit Werbeunterbrechungen, möglich ist.
Die Themen, die mir aufgetischt wurden, könnten manch einen erröten lassen. Wenn sich solche Gespräche im Café am Nachbartisch entwickeln, dann würde es mir die gute Erziehung gebieten, verschämt wegzuhören oder unauffällig den Platz zu wechseln, um die Menschen mit ihren Intimitäten alleine zu lassen. 

Hier schnauzte der alternde Ehemann seine keifende Frau an, weil sie ihm zu wenig Taschengeld zuordnete, was er sich sicherlich zu Hause nie getraut hätte, und die Eltern eines 17 jährigen Knaben, der es sicher faustdick hinter den Ohren hatte, nutzten die Öffentlichkeit, um ihm endlich einmal so richtig die Meinung zu geigen, was bestimmt in dieser Situation einen pädagogisch besonders wertvollen Aspekt hatte.

Oder zwei Frauen stritten sich um einen Mann, der aber nur telefonisch anwesend war, und konnten sich nicht einigen, wer denn nun momentan mit ihm zusammen ist, und wann wer zuletzt mit ihm... und weshalb er bestimmt nicht mit ihr...... ---- sehr verworren das Ganze.

Aber ich wurde auch mit herzergreifend rührenden Geschichten versorgt, - da wurden behinderten Kindern Wunschträume erfüllt, verzweifelte Menschen sahen nach langen Jahren immer gesuchte Familienmitglieder wieder und Liebende fielen sich nach öffentlicher Klärung von Missverständnissen glücklich in die Arme.

Bei so viel Schicksal auf dem Bildschirm erscheint das eigene Leben ja fast schon langweilig und fad.
(Oder liegt es vielleicht nur daran, dass man die eigenen Probleme und Problemchen beim Zusehen ein wenig vergessen hat ????)
 

Nach wenigen Tagen war ich jedenfalls froh, dass ich meine "neuen Freunde" wieder ihren Schicksalen überlassen konnte, um mich meinen Realitäten stellen zu können. 
Nach einer Woche Fehlzeit war zwar nicht der Ablauf der Ausbildung zusammengebrochen, aber Ribosomen, Mitochondrien und das endoplasmatische Reticulum warteten auf weitere Eingliederung in das Wissen meiner Schützlinge.