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Prüfungsstress im Viererpack

Prüfungs- Stress im Viererpack !!!!

 

Schon im November machte ich mir Gedanken darum, wie ich denn den Januar überstehen würde. Ich wusste , es würde ein Hammer Monat werden, so einer, bei dem man schon am ersten den einundreißigsten herbeisehnt.
Das ist nun in diesem Falle mal nicht finanziell gemeint, sondern ich wusste, da würde Arbeit auf mich zukommen, - und nicht zu knapp....

In den fast zwei Jahren, die ich nun in der Werkkiste arbeitete, stand nun zum zweiten Mal die Floristen- Abschlussprüfung an, bei der ich für den praktischen Bereich, wenn auch nicht die alleinige, so aber doch einen großen Teil der Verantwortung tragen würde.
Und diesmal waren es vier Prüflinge, die wir durch diese Situation begleiten mussten.
Da waren Susi und Katharina, die beide schon vor einem halben Jahr einen Versuch gestartet, aber leider beide den praktischen Teil nicht geschafft hatten.
Anita und Ondra machten den ersten Versuch, wobei von Anfang an klar war, dass beide auch beste Chancen hatten, es mit einem Mal zu bestehen.

Die schriftliche Prüfung hatten alle vier schon im Sack, so dass wir uns ganz und gar auf die Praxisl konzentrieren konnten.
Nun hat sich ja vor ein paar Jahren die Prüfungsordnung für Floristen grundlegend geändert. Schon die Fragen im schriftlichen Teil waren nun deutlich praxisbezogener als früher.
Das gipfelte dann in so wichtigen Änderungen, dass nicht mehr banal nach dem Nährstoffbedürfnis einer Pflanze gefragt wird, sondern: Frau Müller betritt mit ihrer Anthurium scherzerianum Ihr Blumengeschäft. Die Pflanze sieht verkümmert aus. Was könnte ihr fehlen?
Bei dem praktischen Teil des Ganzen wirkte es sich aber viel deutlicher aus.
Früher mussten 7 verschiedene Werkstücke gefertigt werden, bei denen der angehende Florist, - bzw. meistens wohl eher der Ausbilder, - bestimmen konnte, wie das einzelne Teil aussehen soll und mit welchen Blumen es gemacht wird.

Das hatte den unschätzbaren Vorteil, dass jeder Handgriff bis zur Ohnmacht geübt werden konnte, und somit ein Großteil des Prüfungserfolges vom Ausbilder abhing.

Ein paar Dinge sind so geblieben.
Der Prüfling muss eine gepflanzte Schale, einen Strauß und ein Gesteck anfertigen, die alle vom Prüfling bestimmt werden können. Soweit - so einfach....
Aber die Neuerung des ganzen ist die sogenannte Komplexe Prüfungsaufgabe, - kurz KPA.
Diese bestimmt 70% des gesamten praktischen Ergebnisses, und setzt sich aus einem theoretischen Teil und der praktischen Ausführung zusammen.

An dem Theorie- Tag bekommt der Prüfling eine konkrete Aufgabe aus seinem Wunschbereich. Wählen kann man zwischen Trauerbinderei, Hochzeitsfloristik, Raumgestaltung und Tischdekoration.
Für diese Aufgabe muss er nun innerhalb einer Stunde eine besonders pfiffige Idee entwickeln, das ganze dann in der Seitenansicht und der Draufsicht skizzieren, sowie eine genaue Kostenaufstellung errechnen. Er bzw. sie muss also hier auch alleine und selbständig bestimmen, welche und wieviel Blumen für dieses Teil genommen werden.
Und direkt danach darf die entnervte und ausgelaugte, angehende Floristin vor den Prüfungsausschuss treten, und dort möglichst in attraktivem Rollenspiel den Vorschlag als Floristin ihrem Kunden unterbreiten. Der Kunde stellt natürlich oft höchst unangenehme Fragen, - wie Kunden halt so sind, - und will immer alles ganz genau wissen.
Und genau das, was in diesem Gespräch nun erstellt wurde, muss ca. drei Wochen später bei der praktischen Prüfung gearbeitet werden.
Das Erklären und Erzählen über diese trockene Prüfungsordnung mag dem geneigten Leser sicher eher langweilig erscheinen, aber das Erleben ist, wie immer, eine ausgesprochen spannende Geschichte.

Susi hatte sich schon bei ihrer ersten Prüfung für das Thema Trauerbinderei entschieden, von dem sie sich auch in sturer Trotzhaltung nicht abbringen ließ, während alle anderen eine Tischdekoration machen wollten.

Schon im Dezember ging es nun los mit den Probe - Aufgaben zur KPA. Da war nun erstmal für uns Ausbilder Phantasie-zeigen angesagt. Wir erfanden die sinnigsten und vor allem unsinnigsten Gelegenheiten, zu denen eine Deko gebraucht werden könnte.

Wir ließen den Kölner Bürgermeister Geburtstag feiern, die freiwillige Feuerwehr ein Winterfest veranstalten, einen Förster sein Dienstjubiläum begehen oder schmückten die Hochzeit für den Holzfäller Anton Tiroler mit der Ballerina Georgetta Francescini.
Wir entwickelten die ausgefallensten Themen- Partys, auf denen wir auch gerne zu Gast gewesen wären. Da gab es die Regenzeit-ist-zu-Ende-Fete, die Frühlings-Wiesen-Feier, das Meerjungfrauen-Treffen oder das Waldvogelfreunde-Springtime-Gelage.
Und das alles mit dem Ziel, möglichst viele Ideen zu den verschiedensten Anlässen zu sammeln.
Am 11.1. sollte die theoretische Prüfung stattfinden. Ich hatte, wie immer vor wichtigen Terminen einen genauen Zeitplan für die Wochen erstellt, an den sich zwar nie gehalten wurde, aber man hat wenigstens das Gefühl einen hilfreichen Rahmen zu haben.

Auf diesem Plan war dieser Tag als die Stunde der Wahrheit bezeichnet.

Doch bevor es soweit war, übten wir das Ganze unter verschärften Bedingungen.
Prüfungsgespräch vor laufender Videokamera.

Der Prüfling saß alleine am Tisch, nur mit seinem ausgearbeiteten Vorschlag, während alle anderen gegenüber an langer Tischreihe und mit ernsten Gesichtern den Prüfungsausschuss mimten.

Kollegin Claudia war ab dem Moment der gefürchtete Berufsschullehrer, während ich zur Ausschussvorsitzenden  mutierte.
Sofort war die ernstere Stimmung auch bei den jungen Damen deutlich spürbar, die sich redlich, und von Mal zu Mal besser, vor uns abmühten.
Manche Vorschläge waren abenteuerlich und da ja alle erwähnten Zutaten, wie z.B. zweiarmige, silberne Kerzenleuchter später von uns besorgt werden müssen, versuchten wir immer darauf hinzuweisen, dass die Damen nur Dinge verwenden sollten, die sie auch kennen.(Versuchen Sie mal diese Leuchter zu bekommen! Es gibt sie nicht ! Das Problem hatte uns schon vor einem halben Jahr in den Wahnsinn getrieben.)
Da kam dann die Idee von einem Glasring in einer bestimmten Größe, den man bestecken könne. "Haben Sie sowas denn schon mal gesehen?" -
"Nöö.... aber Frau Flash wird das schon besorgen...."

Nett war auch der Gedanke zur Deko einer Tauffeier. "Für wieviele Gäste wird denn eingedeckt?" -- Kurze Überlegung: "Da sind so 10 Personen, und der Tisch ist für 8 Leute gedeckt!" --- Als sie unsere leicht verdutzten Gesichter bemerkt, kommt die sinnige Erklärung:
"Es muss doch sowieso immer mal einer auf Toilette oder in die Küche zum Kaffee kochen."
Der "Prüfungsausschuss" konnte sich nur schwerlich das Lachen verbeißen.

Dann kam der Tag der Wahrheit und ich rang allen Vieren das Versprechen ab, sich so schnell wie nur eben möglich bei mir zu melden, da mein Nervositäts- und Spannungsfaktor sich schon zu dem Zeitpunkt nur geringfügig von dem ihren unterschied.

Als erstes kam Anita in die Werkkiste und zeigte mir ihre Aufgabe: Geburtstag eines Korbflechters, Arbeiten Sie mit alternativen Steckhilfsmitteln!
Sie hatte das ganze gelöst, indem sie Teilstücke von Renautriastäben, die wie Reagenzröhrchen wirken, in einem Korb befestigen und dann ausschwingende Blumenarten mit Überschneidungen darein arbeiten wollte. Gute Idee! --- Allerdings etwas wenig Blumen dafür veranschlagt. Aber da läßt sich was draus machen.
Die Feinheiten, die uns noch einige Kopfschmerzen bereiten würden, erkannte ich gar nicht auf den ersten Blick.
Z.B. hatte sie die Tischgröße selbständig wählen dürfen und hatte sich für 2m x2,5m entschieden. Eine wahrlich beeindruckende Größe, bei der sich die geringe Anzahl an Blumen besonders negativ auswirken würde.

Während wir noch darüber sprachen, und Anita unbedingt wissen wollte, ob sie denn damit bestehen würde, was ich ihr natürlich auch nicht sagen konnte, klingelte mein Handy.
Katharina war dran. Sie hatte gerade den schriftlichen Teil hinter sich gebracht und musste in Kürze ins Gespräch. Sie war ziemlich verzweifelt und deprimiert, wobei dieser fast weinende Klang ihrer Stimme so gar nicht zu ihr passte. Es musste ihr wirklich dreckig gehen.
Voller Überzeugung, dass sie es völlig verbockt hätte, wollte sie schon am liebsten gar nicht mehr in das Gespräch gehen.

Mit Engelszungen redete ich auf sie ein und konnte ihr in Erinnerung rufen, dass sie doch bei den Übungsgesprächen immer recht gut gewesen wäre, dass sie eine reelle Chance hätte mit dem mündlichen so einiges rauszuholen, und dass sie nun auf keinen Fall aufgeben solle.

Ein paar Stunden später stand sie, gemeinsam mit Ondra, bei uns und wir konnten uns das Desaster selbst ansehen.

Beide hatten durch Zufall die gleiche Aufgabe gezogen: Ein Mann feiert seinen Geburtstag in einem Rittersaal. Machen Sie einen Ausschnitt der Tafel in einer Länge von 2,5m x 1m.

Ondra hatte eine schöne, strukturierte Gestaltung in mehreren Gefäßen gewählt, dazu passende Kerzenleuchter, alles in rustikalem Rostmetall.

Katharina, die während der Prüfung ihrer Kollegin gegenüber saß, hatte sich scheinbar viel zu lange mit den Überlegungen aufgehalten, dass sie auf keinen Fall das gleiche oder ähnliches machen wolle wie Ondra, so dass sie im Endeffekt mit der ganzen Kalkulation nicht fertig geworden war.
Die Idee, die sie da entwickelt hatte, war gar nicht schlecht, aber eben leider nicht komplett ausgearbeitet, und der Prüfungsausschuss hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie bei der Ausführung nur das benutzen dürfe, was sie auch aufgeschrieben hatte. Das war also der nächste Problemfall, der mit viel weniger Blumen auskommen musste, als nötig gewesen wären.

Unser Susi- Mäuschen (sie hat wirklich so was kleines, verstuppstes an sich.....) hatte ich mit sehr gemischten Gefühlen in die Prüfung geschickt.
Genau genommen hatte sie kaum eine Chance. Da müsste Fortuna schon mit beiden Händen bereitwillig schütten, wenn das was werden sollte.

Sie war an dem Tag als letzte dran gewesen und ich war schon auf der Autobahn auf dem Heimweg, als sie mich per Handy erreichte.
Fortuna hatte ihr möglichstes getan. Susi hatte doch tatsächlich genau die gleiche Aufgabe gezogen, die sie schon vor einem halben Jahr gehabt hatte, und über die wir natürlich inzwischen ausführlich geredet hatten. Und zu allem Glück hatten wir erst in der letzten Woche ein Werkstück praktisch geübt, das genau zu der Aufgabe passte. Sie sollte einen Trauerkranz für eine Malerin, die auch eine große Blumenliebhaberin war, machen.
Jetzt war für sie wieder alles offen.

Auch hier merkten wir erst später, dass sie sich allerdings mit der Größenangabe völlig verschätzt hatte. Der Prüfungsausschuss hatte noch extra nach der Durchmessergröße der Unterlage gefragt, wobei sie, völlig von sich und ihrem Wissen überzeugt, den Außendurchmesser des Kranzes angab.
Und das war 80 cm.
Geübt hatten wir allerdings auf einer Unterlage von 60 cm; und dafür hätte dann auch die Blumenmenge bestens gepasst. Aber so ???

Nun waren es noch knapp drei Wochen Zeit bis zum 31.1. , auf meinem Zeitplan als der “Tag der Tage” tituliert.

Jetzt ging es konkret in die praktischen Übungen. Wir begannen mit Strauß und Gesteck, an denen die vier sich erstmal floristisch auslassen konnten.

Zu meinem großen Glück und meiner grenzenloser Erleichterung stand mir meine Kollegin Ulla meisterlich zur Seite, was den gestalterischen Teil anbelangte, so dass ich nicht die volle Last der Verantwortung auf meinen Schultern fühlte.
Als ich den ersten Übungsstrauß von Anita sah, erschrak ich gewaltig. Ich hatte sie in der Disziplin fit geglaubt, aber welch ein Irrtum. Bei Ondra war es kein Problem und bei Susi und Katharina hatte ich ja zumindest mit den Schwierigkeiten gerechnet.
Aufmachen! --- Neu machen!
Wieder und wieder....

Währenddessen bemühten wir uns alle gemeinsam um die Nebensächlichkeiten, die für die verschiedenen KPAs gebraucht wurden.
Da mussten Tische in den passenden Größen besorgt werden, Stoffe für Tischdecken und Servietten ausgesucht und genäht werden.
Körbe findet man in jedem Großhandel in fast allen Größen, nur nicht in der passenden für den Korbflechter-Tisch.
Von den Rostmetall- Gefäßen hatten wir einige vorrätig, nur nicht die, die gebraucht wurden.
In einem ausführlichen Gespräch mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bekam ich mit, dass er es als völlig normal ansehen würde, wenn man dann den passenden Korb mal eben selber flechten würde.
ICH habe noch nie einen Korb geflochten, - bin am nächsten Tag jedem in der Werkkiste auf die Nerven gegangen mit der ewig gleichen Frage: Kannst Du Körbe flechten ????
Die Antworten konnten mich nicht so recht aufmuntern:
"Ich war doch nicht bei Big Brother! Die hatten das dort als Wochenaufgabe.... " , oder ,- leider nicht ernst gemeint: "Ja natürlich, das haben wir früher in meiner Männer-Selbsterfahrungsgruppe gemacht, direkt nach Männer stricken..."
Ebenso hatte ich auch einen guten Tipp für die Rostmetallgefäße bekommen. man könnte sie doch direkt bei dem Hersteller holen, der sitzt in Bocholt an der holländischen Grenze......  Kein Problem, mach ich doch alles für meine Mädchen !  Da fahre ich doch sogar morgens um sechs nach Bocholt, damit ich um halb zehn, so früh wie eben möglich, wieder in der Kiste bin...

Großmarkt- Fahrten waren nötig. Da hieß es aber dann schon um viertel nach fünf losfahren, um sechs Uhr die Mädchen in Duisburg einsammeln und dann ab nach Düsseldorf.
Wenn wir morgens zur NBV nach Bottrop fuhren, konnte ich mir eine halbe Stunde länger Zeit lassen. Welche Wohltat !
Am Wochenende fuhr ich auch zwischendurch noch nach Dorsten, weil ein Großhändler gerade seinen Tag der offenen Tür hatte, und da konnte man doch so schön in Ruhe gucken, ob nicht das ein oder andere Teil noch aufzutreiben war.
Und als ich an meinem freien Tag, den ich in Kassel verbrachte, durch Zufall ein anderes Florist-Center entdeckte, da fand ich dort auch noch diverses für die Prüfung. (Obwohl ich die Rechnung vorweisen konnte, wurden mir die 400 km aber nicht bei meiner nächsten Fahrtkostenabrechnung erstattet !!!)
Claudia fragte bei allen Kollegen nach, ob in irgendeinem Haushalt diverse rustikale Trinkgefäße vorhanden waren, die zur Rittertafel gepasst hätten, und sie irritierte Personal und Kunden im hiesigen Kaufhof, als sie nach runden Holztellern suchte, die möglichst einen ähnlichen Maserungs- und Helligkeitswert aufwiesen und zu diesem Zweck alle vorhandenen erstmal auf dem Fußboden ausbreitete.
Ulla kümmerte sich um die Renautria Stäbe, die sie unter Missachtung diverser Verkehrsregeln am Autobahnrand schnitt, - setzte sich der Bezichtigung zum Einbruch und Diebstahl aus, als sie abends in einem fremden Vorgarten Blätter schneiden wollte, die von der Form her sooo gut gepasst hätten..., leider ging dann per Bewegungsmelder eine wahre Flutlichtbeleuchtung an, so dass sie schnurstracks zum Auto floh.

Der letzte Samstag vor der Prüfung wurde genutzt, um noch mal alle Teile zu üben.
Kollegin Claudia kam, versorgte uns zwischendurch mit frischem Kaffee, sorgte für positive Stimmung und kochte uns ein fürstliches Mittagessen. So ein Tag, an dem sich keine anderen Leute in der Kiste aufhalten, ist immer was ganz besonderes. Man hat alles für sich, kann eigene Regeln aufstellen, was z.B. das Rauchen in den Räumen anbelangt, - nur die Putzfrauen, die des nachmittags kamen, schlichen erst ganz langsam um die Ecke, da sie befürchteten, Einbrecher wären im Hause.
An diesem Tag kümmerten Ulla und ich uns auch um die diversen Deko-Wurzeln, die in die Pflanzschalen reinsollten. Von meinen Einkaufs- Streifzügen hatte ich verschiedene Holzknorren (Man sagt nicht Knüppel dazu, Katharina!!!) mitgebracht, die wir nun in der passenden Form zusammen nageln und schrauben mussten.
Das erste Problem war natürlich das passende Werkzeug dazu. Ich führe zwar ständig in meinem Auto einen großen Koffer mit mir, in dem sich Schraubendreher, Nägel, Schere, Kneifzange, Seitenschneider und vieles mehr befindet, alles, was das Bastlerherz begehrt, - aber eine Bohrmaschine fehlt noch in der Ausrüstung. Und im Hause fand sich dann zwar eine, aber es fehlte dieser kleine Schlüssel, mit dem man die einzelnen Bohrer auswechseln kann.
Der Hausmeister musste her. Sein Pech, dass er mir vor kurzem seine Handynummer gegeben hatte. Per Bus reiste er kurz darauf an und hatte den Schlüssel dabei, der eine ganz besonders heilige Werkzeugkiste öffnete, in der dann endlich das vermisste Teilchen gefunden wurde.
So konnten Ulla und ich dann endlich, unter Einsatz der Gesundheit unserer Finger, nach Herzenslust bohren und schrauben. Wer je versucht hat durch eine Weinrebe zu bohren, weiß, was ich damit meine.

Und dann noch die ständigen Diskussionen mit den Prüflingen, die auf manchmal unsinnigen Ideen beharren wollten, obwohl wir uns sicher waren, dass das nur Punktabzug geben konnte.
Mit Ondra, die kleine gebastelte Zahlen auf den Tisch legen wollte, die aber in der Art, wie sie sie machte, mehr an Hakenkreuze als an eine 50 erinnerten.
So wie wir es ihr vorschlugen, wollte sie es aber nicht. “So bin ich eben, sonst wär ich ja nicht Ondra !” - Beneidenswerte Selbstsicherheit!
Oder die Suche nach dem Pflanzgefäß aus Glas für Anita, das sie so gerne haben wollte. Es war keine Glasschale in der passenden Größe zu bekommen. Unsere Idee, ein Aquarium zu nehmen, wurde erstmal vehement abgelehnt, da sie erstens vermutete, dass wir nur sparen wollten und zweitens, sie gar nicht wusste, wie so ein Aquarium wohl aussieht. (Es sah im Endeffekt übrigens sehr gut aus!)
So waren die Wochen vollgepackt mit Überlegungen, Rumsuchen und Einkäufen, - alles drehte sich nur um diesen Tag der Tage.

Familienleben in der Zeit??? Alles lief auf Sparflamme. Wer kann sich um Mann und Tochter kümmern, wenn die Gedanken beherrscht sind von den Überlegungen, wie man den vier Prüflingen denn bloß die richtigen Tipps mit auf den Weg geben kann, um bestehen zu können.
Glücklicherweise war mein Herzensgatte in dem Zeitraum arbeitstechnisch nicht so überlastet wie in anderen Monaten, so dass er sich jetzt um die familiären Belange kümmern konnte.
Und oft genug erreichte mich auf der Heimfahrt der Anruf: Wann kommst Du ungefähr? Wir warten auf Dich! Sollen wir jetzt langsam den Auflauf in den Ofen schieben ????

An einem Mittwoch war es dann soweit.
Der Anhänger gepackt mit Tischen, Holzböcken, Platten und Podesten, - einer der Busse mit den Schalen, Gefäßen und Substraten, - all das war schon am Vortag eingeladen.

Morgens um sechs trafen wir uns. In meiner Übervorsicht, bloß alles rechtzeitig fertig zu haben, hatte ich für diesen frühen Zeitpunkt plädiert. Und ein Riesenaufgebot an Helfern hatte ich mobilisiert: Hausmeister Bodo (für die schweren Dinge des Lebens!), zwei Auszubildende, die bei der nächsten Prüfung dran sind, dann noch Kollegin Barbara, und für die Gesamtübersicht sorgte Claudia. Dann waren da natürlich die vier Prüflinge, leicht nervös und blass um die Nasen.
So waren wir 10 Leute, die nun, nach einem ersten Kaffee, die Blumen aus dem Kühlkeller holten und in die beiden Busse einladen konnten.
Dann ab zur Stadthalle in Dinslaken, wo der nötige Platz für die vielen Prüflinge und der festliche Rahmen für die abendliche Lossprechung vorhanden war,
Die Tour war vor allem für Claudia eine Tortour. Sie fuhr den berühmt berüchtigten roten Bus.
Nur ein paar Details: Der Sitz ist so durchgesessen, dass ich wohl gar nicht mehr übers Lenkrad gucken könnte und Claudia sich vorsorglich ein Sitzkissen mitgebracht hatte.
Das Gebläse funktioniert schon lange nicht mehr, so dass der jeweilige Beifahrer damit beschäftigt ist, mit einem Wischer die Fenster frei zu halten.
Die Abgase des Wagens werden aus unerfindlichen Gründen scheinbar direkt in das Innere des Wagens geleitet, so dass längere Fahrten sicherlich zu Atembeschwerden führen können.
Die Schaltung lässt sich nur schwerlich und unter größter Anstrengung bewegen, manchmal geht auch der Knauf des Griffes überraschend ab.
Von einer Servolenkung kann natürlich keine Rede sein, so dass eine Fahrt mit dem Bus mit einem Krafttraining im Fitness Studio zu vergleichen ist.

Ich selber hatte das Glück den neueren, weißen Bus zu fahren, als Ausgleich musste ich den Anhänger mitziehen.
So standen wir morgens um viertel vor acht bei Minus- Temperaturen vor der Stadthalle, die uns erst um punkt 8 Uhr geöffnet wurde.
Nun wurde es hektisch. 22 Prüflinge und ihre zahlreichen Helfer stürmten mit ihrem ganzen Material durch eine einzige Öffnung in die Halle.
Sofort bei der ersten Karre, an der ich anfasste, um sie reinzuschieben, kippte mir eine Vase dermaßen ungünstig um, dass ich von Hals bis Bauch auswringbar nass war. (Zur Erinnerung: Minustemperaturen! Ab da versuchte ich, mich innerhalb der Halle nützlich zu machen.)
Wir hatten Zeit bis um 10 Minuten vor neun. Nun zeigte es sich deutlich, dass wir zwar morgens eine halbe Stunde später hätten anfangen können, aber jede Hand gebraucht wurde in der knappen Stunde, die zum Aufbauen zur Verfügung stand.

Herr Niehüser ermahnte die Helfer durchs Mikrofon, pünktlich die Halle zu verlassen.
Noch einmal ging ich zu den angespannten Mädchen und drückte jedem noch einen dicken Marienkäfer als Glücksbringer in die Hand.
In den letzten Tagen hatte ich immer einen blauen Plastikstern als Kette getragen, der auf Knopfdruck bunt blinkte. Eines der wenigen Dinge, die auch Katharina zum Lächeln brachte. Da ich mir aber sicher war, dass sie ihn selbst nie tragen würde, hängte ich ihn Susi um. "Schalten Sie ihn zwischendurch immer mal ein, damit die Katharina was zu lachen hat!  Und wenn Sie bestehen, dann dürfen Sie ihn behalten!"

So überließen wir unsere Schützlinge ihrem Schicksal. Und das Warten begann...
Zurück in der Werkkiste waren wir zu produktivem Arbeiten gar nicht fähig.
Kaffee trinken.... rauchen..... Kaffee trinken.... und wieder von vorne......

Claudia und ich hatten beschlossen, dass wir zum Mittag gemeinsam essen gehen wollten. Zum einen, um die Zeit zu überbrücken, zum anderen, weil wir fanden, dass wir es uns verdient hatten.
Leider hatten wir in den Tagen vorher keine Muße gefunden, um uns nach einem wirklich gemütlichen Lokal umzuhören, so landeten wir schließlich in einer recht einfachen, aber dafür billigen Stehpizzeria mit drei Tischen. Aber freundlich waren die dort, - das ist doch schon die halbe Miete.
Und wir hatten mal Zeit zu reden....

Der erste Anruf kam in der Pause, die die Mädchen so gegen 11 Uhr hatten. Susi meinte, dass es bei allen recht gut aussähe. --- aber konnte man nun ausgerechnet auf Susis Meinung was geben ???
13 Uhr... noch immer kein Anruf. Wir liefen inzwischen durch die Geschäfte in der Nähe und versuchten uns abzulenken.
Kurz vor 14 Uhr endlich... Susi rief an.... Ja, alles fertig.... bitte sofort kommen !
Wir kutschierten zur Stadthalle, um erstmal alle unbenutzten Blumen, die Abfälle und leeren Eimer und Kisten abzuholen.
In Windeseile war alles verstaut. Die Stimmung schwankte, minütlich wechselnd, zwischen Zuversicht und Resignation. Doch da sind Claudia und ich ja sturmerprobte Muntermacher.

Um viertel nach drei sollten die Prüflinge sich wieder versammeln. Noch eine halbe Stunde, - da lohnte es sich nicht, noch zur nächsten Eisdiele zu laufen.
Leider ließ sich aber um viertel nach drei noch niemand vom Prüfungsausschuss sehen, - auch um halb vier nicht, und auch nicht um vier Uhr.
Was hätten wir es uns in der Zwischenzeit noch nett machen können......
Inzwischen warteten wir alle im überdachten Vorraum.
Viertel nach vier! Es tut sich was ! Alle Mädchen sollen in den Saal kommen. Die Spannung wurde immer unerträglicher. Endlich müssen Claudia und ich nicht nur lächeln und Zuversicht heucheln, jetzt können wir uns auch zugeben, dass wir selber langsam auf dem Zahnfleisch kriechen.
Mein Handy hatte ich inzwischen ausgeschaltet, weil ich es nicht mehr ertragen konnte noch irgendeinem mitfühlenden Menschen erklären zu müssen, dass wir immer noch nichts wüssten.

Und noch eine halbe Stunde dauerte es, bis Herr Niehüser mit ernstem Gesicht erschien und den Prüflingen eine lange Rede hielt. Wir konnten von unserem Standort zwar alles beobachten, aber nichts hören.

Die Hoffnung ist ja da, - dass alle vier bestanden haben könnten, - allein- es fehlt der Glaube.....
Plötzlich kommt Bewegung in den Haufen, - scheinbar alle Mädchen stürmen nach draußen. Ondra, Anita und Susi stehen heulend vor uns.
Claudia sagte mir später, sie hätte in dem Moment wirklich gedacht, die drei wären durchgefallen, alleine Katharina hätte es geschafft.
Aber nein, - andersherum war es. Bei allen dreien brach die Anspannung der letzten Stunden und Tage, die durch das lange Warten noch vervielfacht wurde, heraus und die Tränen liefen...
Claudia und ich hatten gar nicht so viel Arme, um zu trösten, wo doch gar kein Trost mehr nötig war.
Die einzige, die ihn gebraucht hätte, wollte ihn nicht.

Bei den drei neugebackenen Floristinnen waren alle Tränen aber bald vergessen, als die Ausstellung begann und die öffentliche Lossprechung mit Sekt, Blumen und Applaus über die Bühne ging.

Später sah ich mir in Ruhe alle Werkstücke unserer Mädchen an. Manches sah doch irgendwie anders aus als das, was wir geübt hatten.
Ondra und Anita hatten solide gute Floristik abgeliefert, - bei Katharinas Stücken brauchte ich nicht lange zu überlegen, warum es nicht gereicht hatte, aber bei Susis Kranz kam ich doch gehörig ins Staunen. Dieses Mädchen hatte beim Üben nicht ein einziges mal das Teil so hingekriegt, dass ich hätte sagen können, sie besteht damit. Und nun, wo es darauf ankam, hatte sie ihn wirklich erstaunlich gut gemacht. Na also !!!

Herr Niehüser meinte später speziell über Susi: "Da sieht man ja doch, dass Sie einen guten Draht zum lieben Gott haben !"
Na klar, wenn nicht die Werkkiste, von der katholischen Jugendberufshilfe, .... wer dann ???

Auf meinem mehrfach erwähnten Terminplan für diese Wochen stand bei dem folgenden Tag als Tätigkeit: Aufräumen, --- Sekt trinken  und feiern !
Das hatten wir uns auch alle redlich verdient !

Und am 7. März ist Zwischenprüfung für die Mittelstufe !!!

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Hier gibt es Bilder einer Floristenprüfung !
Es handelt sich aber nicht um die hier in der Geschichte beschriebene Truppe.